Das Vertragshändlerrecht

von Rechtsanwalt Dr. Dirk J. Harten

In der Praxis kann die Unterscheidung des Vertragshändlers vom normalen Händler erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Von ihr sind aber die Rechte und Pflichten, die dem Vertragshändler zustehen oder ihn treffen abhängig. So besteht für einen Vertragshändler u.U. bei der Vertragsbeendigung ein Ausgleich (Vertragshändlerausgleich), andererseits unterliegt er einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot und es gelten zwingende Kündigungsfristen (s.u.). Ein Vertragshändlervertrag erleichtert die Beurteilung, ob und wenn ja, mit welchen Rechten und Pflichten ein Unternehmen Vertragshändler ist. Es gibt jedoch auch viele Vertragshändlervertragsverhältnisse, die nur aufgrund mündlicher Vereinbarung bestehen.

1. Der Vertragshändler

Vertragshändler ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wer derart in die Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in erheblichen Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat (BGH NJW-RR 1993, S. 678 ff.; BB 1996, S. 1458 ff. m.w.Nw.; NJW 1982, S. 2819 ff. und NJW 1981,  S. 1961 ff.)

Der Vertragshändler kauft und veräußert die Waren und/oder Dienstleistungen im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Durch die Eingliederung in die Absatzorganisation des Lieferanten ähnlich eng, wie ein Handelsvertreter finden die handelsvertreterrechtlichen Vorschriften der §§ 84 ff. HGB auf ihn zum Teil analog Anwendung, mit der Folge, dass z.B. das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§ 86 HGB analog) und die zwingend geregelten gesetzlichen Kündigungsvorschriften (§ 89 HGB analog) gelten.

Ob ein Unternehmen Vertragshändler war oder ist, ist in jedem Einzelfall separat zu beurteilen und sollte von fachkundiger Seite eingeschätzt werden. Es ist nicht abhängig von einem schriftlichen Vertrag ! Wir stehen Ihnen zur Beurteilung dessen mit unserer Expertise gerne zur Verfügung.

Kriterien für ein Vertragshändlervertragsverhältnis sind u.a. spezielle Kaufverpflichtungen, vereinbarte Absatzförderpflichten, Pflichten zur Abnahme von Mindestmengen oder der Erreichung bestimmter Mindestumsätze, besondere Treue- und Interessenwahrnehmungspflichten, insbesondere Berichtspflichten, besondere Werbeverpflichtungen und die Absprache von Marketingstrategien, die Verpflichtung zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die Einhaltung von Wettbewerbsverboten (dieses würde sich aber auch aus dem Gesetz selbst ergeben (s.o.)), etc., wobei nicht alle Merkmale gleichzeitig vorliegen müssen.

2. Der Vertragshändlerausgleich

2.1 Entstehung

Ein Vertragshändlerausgleich gemäß § 89b HGB analog  ist nach der Rechtsprechung des BGH zusätzlich zur vorgenannten Vertragshändler-eigenschaft an die Bedingung geknüpft, dass der Vertragshändler vertraglich verpflichtet ist, die Kundendaten dem Lieferanten zu offenbaren und dieser in die Lage versetzt wird, die Vorteile des geworbenen Kundenstammes, nach der Vertragsbeendigung, sofort und ohne weiteres nutzen zu können (BGH a.a.O.). Dabei ist nicht entscheidend, welchen Zweck die vertraglichen Regelungen verfolgen, mit denen die Übermittlung der Kundendaten ermöglicht wird (BGH NJW-RR 1994, S. 99 ff. (101)) und ob der Lieferant sie auch tatsächlich nutzt.

Ist die Voraussetzung gegeben, hat der Lieferant für alle vom Vertragshändler originär neu geworbenen oder aufgrund entsprechender Umsatzsteigerung als neu geworben zu geltenden Mehrfachkunden einen Vertragshändlerausgleich zu zahlen (BGH NJW 1998, S. 71 ff. (78)), sofern bei Vertragsbeendigung vom Fortbestand der Geschäftsbeziehungen ausgegangen werden kann (BGH NJW 1998, S. 71 ff. (75)). Hierbei gelten diejenigen Kunden als intensivierte oder gesteigerte Kunden, mit denen der Umsatz um mindestens 100 % gesteigert wurde (BGH NJW 1999, S. 2668 ff. (2670)).

2.2 Berechnung des Vertragshändlerausgleichs

Der mit den neu geworbenen oder intensivierten Kunden im letzten Vertragsjahr erzielte Händlerrabatt (Verkaufserlöse ./. Kosten des Einkaufes) aus dem die handelsvertreteruntypischen Kosten (Fracht, Lager, Versicherung (Transport- und/oder Kreditversicherung, etc.) herausgerechnet werden müssen (das Ergebnis ist der sog. Rabattkern), wird als Grundlage für die Rohausgleichberechnung genommen (BGH DB 1996, S. 2330 ff. (2330)).

Auf Basis dessen ist die Prognose der dem Lieferanten durch die Neukundenwerbung des Vertragshändlers nach Vertragsbeendigung verbleibenden Vorteile anzustellen. Als üblich kann dabei ein Zeitraum von 4 Jahren angesehen werden, in dem mit Wiederkäufen der geworbenen Kunden zu rechnen ist. Abzuziehen ist sodann, wie beim Handelsvertreter eine Abwanderungsquote, weil davon auszugehen ist, dass nicht jeder Kunde über diesen Zeitraum in gleichem Umfang weiter kauft und schließlich ist der Ausgleich abzuzinsen, weil der Vertragshändler ihn nicht in den nächsten Jahren pro rata erhält, sondern in einer Summe bei der Vertragsbeendigung. Ein Faktor von 15% wird für beides hierbei in der Regel eine akzeptable Größe darstellen. In der Praxis kann von folgender Rohausgleichberechnung ausgegangen werden:

Beispiel:

EUR 250.000,– Erlöse aus dem Verkauf der Waren/Dienstleistungen

./. EUR 125.000,– Kosten für den Einkauf

./. EUR 25.000,– handelsvertreteruntypische Kosten (Fracht, Lager, Versicherung)

EUR 100.000,– Rabattkern der letzten 12 Monate

Rabattkern der letzten 12 Monate EUR 100.000,00 ./. 15 % =

  1. Folgejahr EUR 85.000,00 ./. 15 % =
  2. Folgejahr EUR 72.500,00 ./. 15 % =
  3. Folgejahr EUR 61.412,50 ./. 15 % =
  4. Folgejahr EUR 52.200,62

Rohausgleich EUR 271.113,12

Der Höhe nach ist auch der Vertragshändlerausgleich durch den Jahresdurchschnitt des Rabattkerns der letzten 5 Vertragsjahre (60 Monate) oder wenn das Vertragsverhältnis kürzer war, dieses Zeitraumes begrenzt (§ 89b Abs. 2 HGB analog).

Liegt der nach § 89b Abs. 1 Nrn. 1 – 3 HGB analog ermittelte Rohausgleich über dem  Jahresdurchschnitt, so erhält der Vertragshändler den Ausgleich nur in Höhe des Jahresdurchschnitts.

Ist der Rohausgleich geringer als der Jahresdurchschnitt, so ist allein die Höhe des Rohausgleichs maßgebend.

2.3. Unabdingbarkeit

Der Vertragshändlerausgleich ist nach § 89b Abs. 4, Satz 1 HGB analog im Voraus nicht abdingbar. Diese zwingende Vorschrift wird vom BGH streng gehandhabt.

  • 89b Abs. 4 Satz 1 HGB analog verbietet nicht nur Abreden, durch die der Handelsvertreterausgleich ganz ausgeschlossen wird, sondern auch solche, durch die er nur im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird. Die Vorschrift lässt solche Abreden erst nach Beendigung der vertraglichen Beziehungen zu. Die zwingenden Vorschriften sowohl des § 90a als auch des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB analog schließen alle entgegenstehenden Vereinbarungen aus, die vor Vertragsende geschlossen werden, weil eine Abgrenzung für deren Anwendung je nachdem, ob Vereinbarungen Monate oder nur noch Wochen oder gar nur wenige Tage vor dem Ablauf des Vertragsverhältnisses getroffen werden, willkürlich wäre. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit muss dem Handelsvertreter und Vertragshändler der Schutz der zwingenden Gesetzesvorschriften auch dann noch zukommen, wenn eine Vereinbarung erst kurz vor dem Vertragsende zustande gekommen ist.
  • Die Unabdingbarkeit des Vertragshändlerausgleiches kann auch zur Unwirksamkeit einer Rechtswahlklausel und Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertragshändlervertrag führen, wenn diese Rechtsordnungen keinen Vertragshändlerausgleich kennen und der Vertragshändler in Deutschland oder von Deutschland aus tätig ist.

2.4. Geltendmachung, Ausschlussfrist

Der Vertragshändlerausgleich ist nach § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB analog innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen. Eine besondere Form ist nicht erforderlich. Die Erklärung des Vertragshändlers muss jedoch dem Unternehmer Klarheit darüber verschaffen, ob der Vertragshändler einen Vertragshändlerausgleich geltend macht. Sie muss eindeutig und unmissverständlich sein. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann.

 

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