Das neue Schuldrecht

Anlass für die Schuldrechtsreform war die Umsetzung der Verbrauchsgüter-Kaufrichtlinie der EU von 1999. Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen, um das gesamte Schuldrecht, das mit dem BGB von 1900 stammt – was nicht heißt, dass es veraltet war -, insgesamt zu modernisieren.

Dieser Gedanke war deshalb naheliegend, weil man die Wahl hatte, neben dem AGB-Gesetz, dem Haustürwiderrufsgesetz und einigen weiteren Nebengesetzen noch ein weiteres hinzuzufügen, das in sehr viele schuldrechtliche Bestimmungen eingreift, oder alles zusammen einschließlich des sehr umfangreichen Richterrechts, dass sich über die Jahrzehnte hinweg gebildet hatte, in ein neues Schuldrecht einzuarbeiten. Man entschied sich sinnvoller weise für das Letztere, peitschte das Ganze nach intensiver Vorarbeit dann allerdings binnen kürzester Zeit durch das Gesetzgebungsverfahren. Anfang November passierte das Gesetz den Bundesrat und trat am 01.01.2002 in Kraft. Für alle Organe der Rechtspflege dieses Bereiches, zu denen auch wir Anwälte gehören, ein Unding, weil so gut wie keine Zeit blieb, sich mit den umfangreichen Änderungen richtig vertraut zu machen und auseinander zu setzen. Da auch alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen überarbeitet werden müssen, war ein ordnungsgemäßer Übergang auf die neuen Vorschriften in der Praxis damit nicht möglich.

Die Gesetzesänderungen im einzelnen:

Im Gewährleistungsrecht hat es eine systematische Änderung bei der Unterscheidung, wann die Erfüllung eines Vertrages eintritt, gegeben. Nach der bisherigen Rechtslage konnte ein Vertrag auch mit einer mangelhaften Lieferung oder einem mangelhaften Kaufgegenstand erfüllt werden, mit der Folge, dass dem Käufer mit dem Übergang der Gefahr (in der Regel der Übergabe der Sache) nur noch die Gewährleistungsansprüche, also insbesondere Minderung und Wandlung zustanden. Jetzt tritt Erfüllung erst mit der Lieferung einer mangelfreien Sache ein. Dies ist für die Praxis deshalb bedeutsam, weil ein vereinbarter Liefertermin erst dann eingehalten wird, wenn die Ware oder der Kaufgegenstand mangelfrei und vollständig geliefert wurden. Wird also ein Liefertermin durch Lieferung einer fehlerhaften Sache überschritten, macht sich der Lieferant grundsätzlich schadensersatzpflichtig für Schäden, die durch diesen Verzug eintreten.

Ein gekaufter oder hergestellter Gegenstand ist jetzt auch dann mangelhaft, wenn er den getroffenen Werbeaussagen nicht entspricht. Der Mangelbegriff, um den sich die Juristen immer gerne gestritten haben und der in den Studiengängen regelmäßig Stoff für so manche Hausarbeit und Prüfung bot, wurde grundlegend reformiert. Maßgebend ist künftig, ob der Kaufgegenstand sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine bei Sachen gleicher Art und Güte übliche Beschaffenheit aufweist.

Im Gesetz ist nunmehr auch verankert, dass ein Kaufgegenstand auch dann mangelhaft ist, wenn die Montage- oder Bedienungsanleitung nicht zu gebrauchen ist, es sei denn, die Sache wurde gleichwohl fehlerfrei montiert – die sogenannte IKEA-Klausel (so genannt wg. der Ikeamöbel).

Während im Kaufrecht früher nur Minderung oder Wandlung und nur beim Fehlen zugesicherter Eigenschaften und dem arglistigen Verschweigen von Mängeln Schadensersatz geltend gemacht werden konnte, kann ein Käufer heute neben der Minderung des Kaufpreises und dem Rücktritt vom Vertrag generell auch Schadensersatz verlangen. Er kann sich sogar die Fahrtkosten und andere Aufwendungen , die er wegen der Mangelhaftigkeit seines Kaufgegenstandes hatte, ersetzen lassen. Grundsätzlich muss jeder Käufer aber dem Verkäufer zunächst entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache angeboten haben. Dies kann der Verkäufer ablehnen, wenn damit unverhältnismäßige Kosten verbunden sind. Beim zweiten vergeblichen Nachbesserungsversuch stehen dem Käufer dann Minderung, Rücktritt und Schadensersatz zu. Das Gleiche gilt, wenn er dem Verkäufer eine angemessene Nachbesserungsfrist gesetzt hat oder dieser die Nachbesserung verweigert.

Im Zuge der Einführung eines erhöhten Verbraucherschutzes ist auch eine Beweislastumkehr eingeführt worden, nach der innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf vermutet wird, dass die Sache bereits beim Kauf mangelhaft war. Dies kann im Handel massive Konsequenzen haben, weil es in erheblichem Umfang Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Wenn Geräte aufgrund falscher Bedienung defekt sind, lässt sich dies zweifelsfrei häufig im Nachherein nicht klären und ob ein Verkäufer das Risiko eingehen will, in einem Rechtsstreit hierüber ein teures Sachverständigengutachten einholen zu lassen, wage ich zu bezweifeln. Er hat in jedem Fall die schlechteren Karten und das nicht unerhebliche Kostenrisiko. Vor der Gesetzesänderung musste der Käufer nachweisen, dass der gekaufte Gegenstand schon beim Kauf defekt war. Hatte er den Defekt selbst verursacht, war das Risiko, dass ihm dieser Beweis nicht gelingt, außerordentlich groß. Man wird sehen, wie in der Praxis mit der eingeführten Beweislastumkehr umgegangen wird.

Dem Verkäufer, der dem Verbraucher gegenüber als solcher haftet, wurde jetzt ein Rückgriffsrecht gegenüber seinem Vorlieferanten bis hin zum Hersteller eingeräumt. Hat der Verkäufer den verkauften Gegenstand zurücknehmen oder den Kaufpreis mindern müssen, kann er sich bei seinem Lieferanten schadlos halten, ohne, dass es insoweit einer Fristsetzung zur Nachbesserung bedarf. Er kann auch die eigenen Aufwendungen ersetzt verlangen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Verjährung dieser Ansprüche frühestens zwei Monate, nachdem der Verkäufer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat, verjähren, längstens nach 5 Jahren. Und zwar können die Ansprüche in dieser Zeit vom Verkäufer des Verbrauchers bis zum Hersteller durchgereicht werden.

Beispiel: Unternehmen baut im Einfamilienhaus im Auftrag eines Verbrauchers neue Fenster ein.

§ 377 HGB gilt aber auch hier. Im kaufmännischen Handel sehr wichtig !

In der Konsequenz bedeutet das Rückgriffsrecht für den Handel allerdings, dass sich jeder Hersteller oder Lieferant von Gütern, die schlussendlich an Verbraucher veräußert werden, erst nach 5 Jahren sicher sein kann, für Mängel nicht mehr in Anspruch genommen werden zu können.

Gewährleistungsfristen im Kauf- und Werkvertragsrecht betragen generell 2 Jahre statt bisher 6 Monate.

Bei Bauwerken oder Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet wurden, beträgt die Verjährung einheitlich 5 Jahre.

Die regelmäßige Verjährungsfrist für alle Ansprüche, für die nicht, wie im Kaufrecht, besondere Verjährungen gelten, ist jetzt auf 3 Jahre herunter gesetzt, früher waren es 30 Jahre. Das ist insbesondere im kaufmännischen Verkehr und im Handel zu beachten. Dort galt zwischen Gewerbetreibenden bisher eine 4-jährige Verjährung bei Forderungen. Die bereits vor dem 01.01.2002 begonnenen Verjährungen laufen auch nicht ohne weiteres weiter. Hier ist jeder Anspruch für sich zu untersuchen.

Die Gewährleistungsfristen können im kaufmännischen Bereich, aber auch nur dort, verkürzt werden.

Gegenüber Verbrauchern können Gewährleistungsrechte kaum noch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Deshalb müssen fast alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen überarbeitet werden. Da die Gesetzesänderungen Verbraucher und Gewerbetreibende gleichermaßen betreffen, bei letzteren der Schutz vor abweichenden Vereinbarungen nur nicht so groß ist, können Verträge und Geschäftsbedingungen auch in diesem Bereich nicht mehr ohne weiteres weiter verwendet werden.

Im Verkehr mit Verbrauchern geht das Verbot der Vereinbarung von Abweichungen zu den gesetzlichen Bestimmungen so weit, das es generell für alle Unternehmer gilt. Der Unternehmerbegriff ist in § 14 BGB definiert. Hierunter fallen auch Selbständige, die nicht ständig an Verbraucher verkaufen.

Beispiel: Verkauf eines Geschäftswagens

Für den kaufmännischen Bereich ist die Änderung der Verzugsregelungen noch bedeutsam. Danach geraten Schuldner mit ihrer Zahlung automatisch 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufstellung in Verzug oder wenn die Leistung nach dem Kalender bestimmt ist oder eine so bestimmbare Frist abhängig von einem Ereignis gesetzt wurde (z.B. Rechnungszusatz: Zahlbar innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Rechnung).

Die Verzugszinsen betragen, wenn Verbraucher nicht beteiligt sind, 8% über dem Basiszinssatz, entsprechend derzeit 11,..% und sonst 5% über dem Basiszins, entsprechend derzeit 8,..%.